Die Pflege naher Angehöriger – Was man über das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) wissen sollte

A. Grundsatz
Die Pflegeversicherung bezweckt die bessere Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege: Die häusliche Pflege von Angehörigen soll staatlich unterstützt und gefördert werden.

Das PflegeZG berechtigt jeden Arbeitnehmer, wegen eines plötzlichen familiären Pflegefalls kurzzeitig mit der Arbeit auszusetzen. Darüber hinaus gewährt das Gesetz Anspruch auf Pflegezeit. Pflegezeit ist die befristete (unbezahlte) Freistellung zur Betreuung oder Sterbebegleitung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen.
Während der Pflegezeit ist der Arbeitnehmer vor einer Kündigung geschützt (§ 5 PflegeZG).
Das PflegeZG gilt nicht für öffentlichrechtliche Bedienstete. Für Beamte gilt die Sonderregelung des § 92 a BBG.
Zwar soll nur Pflege von „nahen Verwandten“ unterstützt werden. Der Begriff „naher Verwandter“ wird aber weit gefasst. Hierunter fallen z.B. auch Schwiegereltern, Geschwister, Stiefeltern, Adoptivkinder usw.
Die Pflegebedürftigkeit muss überwiegend wahrscheinlich sein.

 
B. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Nach § 2 Abs. 1 PflegeZG hat jeder Arbeitnehmer „das Recht, bis zu 10 Arbeitstage von der Arbeit fernzubleiben, wenn dies erforderlich ist, um für einen pflegedürftigen nahen Angehörigen in einer akut auftretenden Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen“.
Liegt ein derartiger akuter Fall vor, erlischt die Arbeitspflicht kraft Gesetzes. Der Arbeitgeber muss nicht zustimmen.
Die Arbeitsbefreiung verschafft dem Arbeitnehmer die nötige Zeit, um eine akut notwendige Pflege zu organisieren, etwa um eine Pflegeeinrichtung auszusuchen oder eine häusliche Pflegekraft einzustellen.
Wenn ein solcher Akutfall vorliegt, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, die Verhinderung an der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen und auf Verlangen des Arbeitgebers eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen vorzulegen (§ 2 Abs. 2 PflegeZG). Eine Mitteilung per E-Mail, SMS oder telefonisch genügt.
Ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Vergütung des Arbeitnehmers weiterhin zu zahlen, während dieser verhindert ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Dafür spricht aber § 616 BGB, wonach der Vergütungsanspruch nicht entfällt, wenn der Arbeitnehmer eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist.

 
C. Pflegezeit
Wenn der Arbeitnehmer die Betreuung und Versorgung des Pflegebedürftigen übernimmt, spricht man von Pflegezeit. In § 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG ist geregelt, dass Beschäftigte von der Arbeitsleistung (vollständig oder teilweise) freizustellen sind, wenn sie einen pflegedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen.
Häusliche Umgebung erfordert nicht, dass ein gemeinsamer Haushalt besteht.
Auch andere Angehörige können gleichzeitig die Pflegezeit in Anspruch nehmen.
Der Arbeitgeber muss die Pflegezeit nicht genehmigen. Es reicht aus, wenn der Arbeitnehmer form- und fristgerecht den Arbeitgeber darüber informiert, dass er die Pflegezeit in Anspruch nimmt.
Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber nur spätestens 10 Arbeitstage vor Beginn schriftlich darüber informieren, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang er die Freistellung beansprucht.
Die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen ist durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen.
Die Pflegezeit beträgt höchstens 6 Monate.
Möglich ist auch, während der Pflegezeit verkürzt weiterzuarbeiten. Dann sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hierüber eine schriftliche Vereinbarung treffen.
Der Anspruch auf Freistellung wegen Inanspruchnahme von Pflegezeit besteht nicht gegenüber Arbeitgebern mit i.d.R. 15 oder weniger Arbeitnehmern.

 
D. Sonderkündigungsschutz
Von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Pflegezeit darf der Arbeitgeber nicht kündigen (§ 5 Abs. 1 PflegeZG).

 
E. Urlaub
Die Inanspruchnahme der Pflegezeit berechtigt den Arbeitgeber nicht, den Urlaub zu kürzen.

F. Zinsloses Darlehen
Der Arbeitnehmer kann ein zinsloses Darlehen zur Finanzierung der Pflegezeit beantragen.
Der Antrag ist beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zu stellen.

 
G. Pflegeunterstützungsgeld
Für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung hat der Arbeitnehmer, der während dieser Zeit keinen Anspruch auf Vergütung hat, gem. § 44 a Abs. 3 SGB XI Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld.

 
H. Keine Vergütung
Das PflegeZG gewährt nur eine (unbezahlte) Freistellung.
Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung (bis zu 10 Arbeitstagen) besteht das Arbeitsverhältnis fort. Deshalb besteht auch der Versicherungsschutz in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung fort.
Anders ist es bei der Pflegezeit.
Die Kranken- und Pflegeversicherung wird während der Pflegezeit nicht aufrechterhalten. Der Arbeitnehmer muss sich in dieser Zeit also freiwillig krankenversichern, wenn er nicht über einen Angehörigen familienversichert ist.

 

Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Weilheim. Alle vom Autor bisher erschienenen Artikel zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen können im Internet auf der Homepage des Autors unter www.fachanwalt-arbeitsrecht.de kostenlos abgerufen werden.

Rechtsanwalt
Hans-Georg Rumke
Münchener Straße 8
82362 Weilheim

Tel.: 0881 / 6 48 66
Fax: 0881 / 6 47 47
E-Mail: ra-rumke@fachanwalt-arbeitsrecht.de
Internet: www.fachanwalt-arbeitsrecht.de

Teilen