Heimliche Videoüberwachung

Ist die heimliche Videoüberwachung von Mitarbeitern zulässig?. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Ladendiebstahl im Einzelhandel werden jährlich auf ca. 5 Mrd. DM geschätzt. Lieferanten und Kunden sollen an diesen Diebstählen mit ca. 20 % beteiligt sein.

Seit geraumer Zeit gehen die größeren Unternehmen des Einzelhandels dazu über, Kunden aber auch Lieferanten und Mitarbeiter mittels Videokameras zu überwachen. Bei Mitarbeitern dient die Videoüberwachung der Beweissicherung für das Strafverfahren sowie für die Begründung der Kündigung.

Der Arbeitgeber kann die Videoaufzeichnungen heranziehen, um eine fristlose außerordentliche Kündigung oder eine ordentliche Kündigung, also mit Ablauf der Kündigungsfrist, zu begründen. Die Rechtsprechung ist hier sehr hart. Bereits geringste Fehlhandlungen sollen bereits eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) höchstrichterlich entschieden, daß bereits der unberechtigte Verzehr eines Stückes Bienenstich durch eine Verkäuferin eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung rechtfertigt (vgl. BAG Urteil vom 17.05.1984, AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen). Denn das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit der Arbeitnehmerin sei erschüttert. Diese und ähnliche Entscheidungen sind unter Juristen zu Recht sehr umstritten. In jedem Fall wird eine ausgesprochene Kündigung von den Arbeitsgerichten immer daraufhin untersucht, ob im Einzelfall bei der gebotenen Interessenabwägung die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb einerseits und der Vertrauensverlust andererseits hinreichend berücksichtigt wurden. Auf den Wert des entwendeten Gegenstandes soll es hierbei gerade nicht ankommen.

Die Videoüberwachung dient einerseits der Abschreckung, andererseits der Täterüberführung. Sollten sich beim Arbeitgeber Restzweifel an der Überführung des Arbeitnehmers ergeben, dann kann der Arbeitgeber alternativ oder zusätzlich eine Verdachtskündigung aussprechen. Die Verdachtskündigung unterscheidet sich von der Tatkündigung dadurch, daß für die Kündigung bereits der begründete Verdacht einer Straftat ausreicht. Es muß der dringende Verdacht bestehen, daß der betreffende Mitarbeiter tatsächlich die Straftat begangen hat. Der Arbeitgeber muß alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Sachverhalt aufzuklären, insbesondere muß er dem betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit einer Stellungnahme einräumen, um die Vorwürfe entkräften zu können.

Eine ohne Anhörung des Arbeitnehmers ausgesprochene Verdachtskündigung ist unwirksam.

Bei der Frage der Zulässigkeit einer Videoüberwachung sind einerseits das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) des Arbeitnehmers und andererseits die berufliche Betätigung.(Art. 12 GG) und das Eigentumsrecht ( Art. 14 GG) des Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen. Auch der Schutz der Wohnung (Art. 13 GG)-der sich auch auf Geschäftsräume erstreckt- ist hier in die Interessenabwägung mit einzubeziehen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, ob die Videoüberwachung auch die Gespräche der Mitarbeiter aufzeichnet und ob sie offen oder verdeckt erfolgt. Das LAG Köln hat die fristlose Kündigung einer Lagerarbeiterin für unzulässig erklärt, die während der Nachtschicht eine Parfümflasche in ihrer Hosentasche verschwinden ließ und dabei von einer Videokamera beobachtet worden war. Das LAG Köln meinte, der Diebstahl sei auf unzulässige Weise bewiesen worden. Das Eigentum des Arbeitgebers, aber auch die Privatsphäre des Arbeitnehmers seien grundrechtlich geschützt. Der Arbeitgeber müsse für die Diebstahlsvorsorge Mittel auswählen, die die Privatsphäre des Arbeitnehmers möglichst wenig beeinträchtigen. Er hätte die Belegschaft über die Videoüberwachung informieren müssen. Die heimliche Überwachung stelle einen rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre dar. Deshalb dürfe das Videoband nicht als Beweismittel verwendet werden (vgl. LAG Köln, 30.08.1996, Az.: 12 Sa 639/96). Das BAG hatte bereits im Jahre 1987 entschieden, daß eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers vorliegen könne, wenn er einem ständigen lückenlosen Überwachungsdruck dadurch unterworfen werde, wenn der Arbeitgeber jederzeit ohne konkreten Hinweis den Arbeitsplatz durch versteckt aufgestellte Videokameras beobachten könne (vgl. BAG Urteil vom 07.10.1987, Az.: 5 AZR 116/86). Der Arbeitgeber hätte denselben Erfolg auch mit weniger weitreichenden Mitteln -z.B. durch das Aufstellen von sichtbaren Kameras- erreichen können. So aber habe der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beseitigung der Videokamera und Unterlassung der Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht.

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