Kündigungsfristen

Bisherige Regelung der Kündigungsfristen nach BGB

Im deutschen Kündigungsrecht gibt es für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer unterschiedliche Kündigungsfristen.

Der Arbeitnehmer kann sein Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats kündigen (§ 622 Abs. 1 BGB).

Für den Arbeitgeber gelten andere Kündigungsfristen. Diese sind umso länger, als das Arbeitsverhältnis besteht. Der Arbeitgeber hat folgende Kündigungsfristen einzuhalten (§ 622 Abs. 2 BGB):

Bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von

1. zwei Jahren: einen Monat zum Ende des Monats

2. fünf Jahren: zwei Monate zum Ende des Monats

3. acht Jahren: drei Monate zum Ende des Monats

4. zehn Jahren: vier Monate zum Ende des Monats

5. zwölf Jahren: fünf Monate zum Ende des Monats

6. fünfzehn Jahren: sechs Monate zum Ende des Monats

7. zwanzig Jahren: sieben Monate zum Ende des Monats

Allerdings wurden (bisher) bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer erst Zeiten ab Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers berücksichtigt. (§ 622 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Diese gesetzliche Regelung hat der EuGH in seinem Urteil vom 19.01.2010 gekippt und für unzulässig erklärt.

Der Fall:

Die Klägerin war seit ihrem 18. Lebensjahr mehr als 10 Jahre bei einer Firma beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat. Die Klägerin reichte Kündigungsschutzklage ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kündigungsfrist nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit grundsätzlich vier Monate zum Monatsende betrage. Die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach eine vor dem 25. Lebensjahr liegende Betriebszugehörigkeit bei der Berechnung der Kündigungsfrist unberücksichtigt bleibe, stelle eine Altersdiskriminierung dar. Folglich sei die deutsche Regelung zur Bemessung der Kündigungsfrist unzulässig und daher unwirksam. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf legte die Frage dem EuGH zur Entscheidung vor. Es hatte Zweifel, ob § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Die Frage war, ob die Kündigungsfristenregelung gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters verstößt. Der EuGH führt zunächst aus, dass die deutsche Kündigungsregelung Personen unterschiedlich behandelt, je nachdem, in welchem Alter sie in den Betrieb eingetreten sind. So würde bei zwei Arbeitnehmern, die beide 20 Jahre Betriebszugehörigkeit aufweisen, für den einen, der mit 18 Jahren in den Betrieb eingetreten ist, eine Kündigungsfrist von fünf Monaten, während für den anderen, der mit 25 Jahren eingetreten ist, eine Kündigungsfrist von sieben Monaten gelten. Die vom deutschen Gesetzgeber angenommene Einschätzung, dass es jüngeren Arbeitnehmern regelmäßig leichter falle und schneller gelinge, auf den Verlust ihres Arbeitsplatzes zu reagieren und dass ihnen eine größere Flexibilität zugemutet werden könne, überzeugte den EuGH nicht. Die deutsche Kündigungsfristenregelung behandele junge Arbeitnehmer ungleich, weil sie diejenigen jungen Menschen trifft, die ohne oder nach nur kurzer Berufsausbildung früh eine Arbeitstätigkeit aufnehmen, nicht aber die, die nach langer Ausbildung später in den Beruf eintreten.

Ergebnis:

Im Ergebnis ist die Kündigungsfristenregelung unwirksam, soweit die Beschäftigungsdauer vor dem 25. Lebensjahr unberücksichtigt bleibt. Die Kündigungsfristen gelten ab sofort für alle Arbeitsverhältnisse. Sie beginnen nicht erst ab Vollendung des 25. Lebensjahres. Die Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (hier gegen die EU-Richtlinie 200/78). Deutsche Arbeitsgerichte dürfen diese gesetzliche Regelung nicht mehr anwenden. (vgl. EuGH, Urteil vom 19.01.2010, Az.: C-555/07).

Beachte:

Vielfach sind die Kündigungsfristen im Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag geregelt. Wenn im Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag auf die gesetzlichen Kündigungsfristen Bezug genommen wird, so ist dies nicht (mehr) rechtsmäßig und unwirksam. Der § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB fällt ersatzlos weg.

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