Betriebsbedingte Kündigung – Teil II

Ein Speditionsunternehmen beschäftigt zehn Arbeitnehmer, die je einen Lkw fahren. Wegen Umsatzrückgang werden zwei Lkw verkauft. Zwei Arbeitnehmer sind zu entlassen, aber welche?

Der Arbeitgeber hat bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer nicht die freie Entscheidung. Denn er muß nach dem Willen des Gesetzgebers diejenigen zwei Arbeitnehmer entlassen, die am wenigsten auf ihren Arbeitsplatz angewiesen sind. Das heißt, der Arbeitgeber darf nicht etwa den beiden leistungsschwächsten oder denjenigen Arbeitnehmern kündigen, die am meisten krank sind. Da der Kündigungsgrund betriebsbedingt ist, muß die Auswahl der zu kündigenden zwei Arbeitnehmer sozial gerecht erfolgen. Nur darauf kommt es an. Wie geschieht dies in der Praxis? Zunächst muß der Arbeitgeber den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Mitarbeiter bestimmen und zwar auf der Ebene des gesamten Betriebes. Also danach, welche Arbeitnehmer auf derselben Ebene der Betriebshierarchie miteinander vergleichbar sind. Wird etwa ein Arbeitnehmer als ungelernte Arbeitskraft eingestellt und nicht z.B. konkret als Putzhilfe, so müssen bei der Sozialauswahl alle im Betrieb beschäftigten ungelernten Arbeitskräfte in die Sozialauswahl einbezogen werden. Bei Einstellung als Putzhilfe sind alle Putzhilfen miteinander vergleichbar. Entscheidend ist die Formulierung der Tätigkeit im Arbeitsvertrag. Im Beispielsfall sind alle 10 Lkw-Fahrer in die Sozialauswahl einzubeziehen. Innerhalb dieser Gruppe der Arbeitnehmer sind die beiden am wenigsten schutzbedürftigen LKW-Fahrer zu ermitteln und zu kündigen. Nicht mit in die Sozialauswahl einzubeziehen sind die kraft Gesetzes geschützten Arbeitnehmer, wie Schwerbehinderte, Arbeitnehmerinnen, für die der mutterschutzrechtliche Kündigungsschutz gilt, oder Betriebsratsmitglieder. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob Arbeitnehmer, die sich auf tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Kündigungsschutz berufen können, ebenfalls nicht mit in die Sozialauswahl einzubeziehen sind.

Neu ist, daß Arbeitnehmer, die nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz für den Betriebsablauf und eine ausgewogene Personalstruktur unverzichtbar sind, ebenfalls ausgeklammert werden können.

Seit der Einführung des Beschäftigungsförderungsgesetzes im Jahre 1996 kommt es nur noch auf drei soziale Grunddaten an: Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten. Für die Gewichtung gibt es keine Kriterien. Der Arbeitgeber muß also im Zweifel den jüngsten Arbeitnehmer, der erst seit kurzer Zeit im Betrieb ist und keine Unterhaltsverpflichtungen hat kündigen. Denn der ältere Arbeitnehmer, der verheiratet ist, 2 Kinder hat und schon seit 10 Jahren im Betrieb ist, ist sozial schutzwürdiger. In der Praxis erfolgt die Sozialauswahl nicht selten unter Beteiligung des Betriebsrats. Dies schließt zwar eine Überprüfung durch das Arbeitsgericht nicht aus, bietet aber zumindest eine Vermutung dafür, daß soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt wurden. Im Prozeß ist es zunächst Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl darzulegen, sofern er die Sozialdaten der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer kennt. Sind ihm diese nicht hinreichend bekannt, genügt es, wenn der Arbeitnehmer einfach pauschal die Sozialauswahl beanstandet und von dem Arbeitgeber verlangt, dieser möge angeben nach welchen Kriterien er die Sozialauswahl durchgeführt hat. Der Arbeitgeber muß dann konkret vortragen, wen er in die Sozialauswahl einbezogen hat und welche Sozialdaten er miteinander verglichen hat. Auf diese Weise kann der Arbeitnehmer eine mögliche fehlerhafte Sozialauswahl feststellen (oder durch seinen sachkundigen Rechtsanwalt feststellen lassen). Ist die Kündigung danach sozialwidrig, folgt automatisch ihre Unwirksamkeit (§ 1 Abs.3 Kündigungsschutzgesetz).

Merke: Die Durchführung der Sozialauswahl ist äußerst kompliziert und birgt für den Arbeitgeber viele Fallstricke. Nicht selten wird eine betriebsbedingte Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl nachträglich vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt, oder der Arbeitgeber muß sich wohl oder übel auf eine teure Abfindungsvereinbarung einlassen. Dies hätte er bei rechtzeitiger Einschaltung eines versierten Beraters verhindern können.

 

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