Die richtige Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung

Fall: Ein Speditionsunternehmen beschäftigt zehn Arbeitnehmer, die je einen Lkw fahren. Wegen Umsatzrückgang werden zwei Lkw verkauft. Zwei Arbeitnehmer sind zu entlassen, aber welche?

Der Arbeitgeber hat bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer nicht die freie Entscheidung. Denn er muss nach dem Willen des Gesetzgebers diejenigen zwei Arbeitnehmer entlassen, die am wenigsten auf ihren Arbeitsplatz angewiesen sind. Das heißt, der Arbeitgeber darf nicht etwa den beiden leistungsschwächsten oder denjenigen Arbeitnehmern kündigen, die am meisten krank sind. Da der Kündigungsgrund betriebsbedingt ist, muss die Auswahl der zu kündigenden zwei Arbeitnehmer sozial gerecht erfolgen. Nur darauf kommt es an.

Wie geschieht dies in der Praxis? Zunächst hat der Arbeitgeber den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Mitarbeiter zu bestimmen und zwar auf der Ebene des gesamten Betriebes. Entscheidend ist hierbei, welche Arbeitnehmer auf derselben Ebene der Betriebshierarchie miteinander vergleichbar sind. Wird etwa ein Arbeitnehmer als Lohnbuchhalter eingestellt, sind bei der Sozialauswahl alle im Betrieb beschäftigten Lohnbuchhalter in die Sozialauswahl einzubeziehen. Entscheidend ist die Beschreibung der Tätigkeit im Arbeitsvertrag.

Im Beispielsfall sind alle 10 Lkw-Fahrer in die Sozialauswahl einzubeziehen. Innerhalb dieser Gruppe sind die beiden am wenigsten schutzbedürftigen LKW-Fahrer zu ermitteln und zu kündigen.

Nicht mit in die Sozialauswahl einzubeziehen sind die kraft Gesetzes besonders geschützten Arbeitnehmer, wie Schwerbehinderte, Arbeitnehmerinnen, für die der mutterschutzrechtliche Kündigungsschutz gilt, oder Betriebsratsmitglieder. Neu ist, dass einzelne Arbeitnehmer, die für den Betriebsablauf und eine ausgewogene Personalstruktur unverzichtbar sind, ebenfalls ausgeklammert werden dürfen.

Welcher von den vergleichbaren Mitarbeitern (hier LKW-Fahrer) letztlich zu kündigen ist, richtet sich nach den Kriterien von Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und ggf. Schwerbehinderung. Eine Gewichtung dieser Kriterien findet nicht statt. Der Arbeitgeber muss also im Zweifel den jüngsten Arbeitnehmer, der erst seit kurzer Zeit im Betrieb ist und keine Unterhaltsverpflichtungen hat, kündigen. Denn der ältere Arbeitnehmer, der verheiratet ist, 2 Kinder hat und schon seit 10 Jahren im Betrieb ist, ist sozial schutzwürdiger.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist es Sache des Arbeitnehmers, die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl zu rügen. Dies ist unproblematisch, wenn er die Sozialdaten der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer kennt. Sind ihm diese nicht hinreichend bekannt, genügt es, wenn der Arbeitnehmer einfach pauschal die Sozialauswahl beanstandet und von dem Arbeitgeber verlangt, dieser möge angeben nach welchen Kriterien er die Sozialauswahl durchgeführt hat. Der Arbeitgeber muss dann konkret vortragen, wen er in die Sozialauswahl einbezogen hat und welche Sozialdaten er miteinander verglichen hat. Auf diese Weise kann der Arbeitnehmer eine mögliche fehlerhafte Sozialauswahl feststellen (oder durch seinen sachkundigen Rechtsanwalt feststellen lassen). Ist die Kündigung danach sozialwidrig, ist sie unwirksam.

Merke: Die Durchführung der Sozialauswahl ist äußerst kompliziert und birgt für den Arbeitgeber viele Fallstricke. Nicht selten wird eine betriebsbedingte Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl nachträglich vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt, oder der Arbeitgeber muss sich wohl oder übel auf eine teure Abfindungsvereinbarung einlassen. Dies hätte er bei rechtzeitiger Einschaltung eines versierten Beraters verhindern können.

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www.fachanwalt-arbeitsrecht.de

 

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