In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass die Heimatgesellschaft einen ins Ausland entsandten Mitarbeiter vorzeitig zurückruft.
Die Gründe hierfür sind meist betriebsbedingt: der Auslandseinsatz rentiert sich nicht mehr oder der Mitarbeiter wird dringend im Inland gebraucht. Aber auch der Mitarbeiter selbst kann einen erheblichen Grund liefern ihn aus dem Ausland abzuberufen.
Für derartige Fälle der Abberufung haben die deutschen Konzerngesellschaften regelmäßig interne Regelungen geschaffen, unter welchen Umständen ein Rückruf zulässig sein soll. Bei mittelständischen Unternehmen sind diese Regelungen oft nicht klar genug formuliert oder fehlen ganz.
Regelmäßig werden Mitarbeiter von deutschen Firmen für zwei oder drei Jahre ins Ausland geschickt, um dort in einer Tochtergesellschaft oder einer anderen lokalen ausländischen Gesellschaft tätig zu werden. Nicht selten werden die Verträge auch verlängert. Der Mitarbeiter verlässt sich auf die arbeitsvertragliche Regelung, die in einem besonderen Entsendevertrag mehr oder weniger ausführlich beschrieben ist. Er zieht mit seiner Familie um und richtet sich im Ausland für mehrere Jahre ein. Gemeint ist hier das außereuropäische Ausland, denn innerhalb der EU gelten die bekannten Freizügigkeitsregeln.
Probleme entstehen immer dann, wenn der Arbeitgeber aus Deutschland den Entsendevertrag vorzeitig kündigt bzw. den Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Ausland abberuft.
In der Rechtsprechung ist noch nicht endgültig geklärt, ob der Rückruf eine Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes darstellt oder ob es sich lediglich um ein arbeitgeberseitiges Widerrufsrecht handelt. Die derzeit herrschende Meinung geht von einem Widerrufsrecht aus (Widerruf der Auslandsentsendung).
Wenn man dieser Auffassung folgt, dann unterlegt die Wirksamkeit des Widerrufsrechts der sogenannten AGB-Kontrolle. Die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Rückrufs sind bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Es kommt immer entscheidend darauf an, welche konkreten Gründe der Arbeitgeber anführt, um den Rückruf zu begründen. Denn der Rückruf unterliegt nach § 106 S.1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle, also einer richterlichen Überprüfung.
Hier kommt es auf den Einzelfall an:
- War vertraglich vereinbart, unter welchen konkreten Umständen ein Mitarbeiter zurückgerufen werden kann? Ist diese Regelung wirksam?
- War vertraglich geregelt, wie lang die Kündigungsfrist sein soll? Ist diese Kündigungsfrist angemessen und auch eingehalten?
- War vertraglich geregelt, wo der Mitarbeiter in Deutschland wiedereingesetzt werden sollte. (Arbeitsort)?
- War vertraglich geregelt, in welcher Funktion der Mitarbeiter in Deutschland wiedereingesetzt werden sollte (eventuell unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Auslandseinsatz)?
- War vertraglich geregelt, welche Vergütung der Mitarbeiter im Heimatland nach seiner Rückkehr erhält?
- War vertraglich geregelt, in welchem Umfang und in welcher Höhe die Transportkosten und der Heimflug für den Mitarbeiter und seine Familie vom Arbeitgeber übernommen werden?
- War vertraglich geregelt welche Folgen es hat, wenn der Mitarbeiter zusätzlich einen lokalen Vertrag mit der Auslandsgesellschaft abgeschlossen hat und dieser Vertrag nach den jeweiligen örtlichen Regeln gekündigt wird?
Das Arbeitsgericht überprüft, ob der Rückruf billig, d.h. angemessen war. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber eigene Interessen auf Kosten des Arbeitnehmers durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen.
Es findet also eine Interessenabwägung statt zwischen den Interessen des Arbeitgebers die Entsendung vorzeitig zu beenden und den Interessen des Arbeitnehmers und dessen Familie, bis zum Ende der vertraglichen vereinbarten Entsendung im Ausland zu verbleiben.
Der Arbeitgeber hat regelmäßig ein Interesse daran, die Kosten des Auslandseinsatzes zu reduzieren oder den Mitarbeiter dringend im Inland (oder an einem anderen ausländischen Standort) einzusetzen.
Das Interesse des Arbeitnehmers geht allerdings dahin, nicht vorzeitig nach Deutschland zurückkehren zu müssen. Er hat sich mit seiner Familie vor Ort eingerichtet. Der inzwischen gewachsene Sozialkontakt zu Nachbarschaft, Freunden, Sportverein etc. muss abgebrochen werden. Die Kinder gehen zur Schule vor Ort, der Mietvertrag muss vorzeitig gekündigt werden, die Ehefrau muss gegebenenfalls ihren Job auch kündigen, der Hausrat muss gepackt und in Container nach Deutschland verschifft werden. In Deutschland muss schnell eine Unterkunft schnell gefunden werden etc.
Je nachdem wie die Interessenabwägung ausgeht die das Arbeitsgericht vornimmt, wird dieses entscheiden, ob der Rückruf zurecht erfolgt ist oder nicht.
Da dies aber Monate dauern kann, steht der Mitarbeiter vor der Frage, wie er sich nun entscheiden soll:
Wenn er dem Rückruf nicht folgt, geht er das Risiko ein, dass sein gesamtes Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung gekündigt wird. Folgt er dem Rückruf und erhebt Klage vor dem Arbeitsgericht, muss er abwarten, wie das Arbeitsgericht entscheidet.
Daneben stellt sich die weitere Frage nach der Vergütung, die bei einem Auslandseinsatz in der Regel erheblich höher ist. Regelmäßig wird die höhere Vergütung auch eingeklagt, so dass das Arbeitsgericht auch darüber entscheiden wird.
Um das Risiko der Kündigung wegen Arbeitsverweigerung zu umgehen, wird der Mitarbeiter meist und unter Protest wieder nach Deutschland zurückkehren und gerichtlich überprüfen lassen, ob der Rückruf rechtmäßig war oder nicht.
Oftmals ergeben sich noch weitere Probleme:
- Ist in Deutschland inzwischen eine neue Wohnung gefunden und bezogen worden?
- Ist der Hausrat mittlerweile in Deutschland angekommen?
- Sind die Kinder problemlos wieder eingeschult worden?
- Ist der neue Arbeitsplatz in Deutschland angemessen und auch angemessen dotiert?
Die alles entscheidende Frage ist nun:
Hat der Arbeitgeber überhaupt (noch) ein Interesse daran, den Mitarbeiter in Deutschland tatsächlich weiter zu beschäftigen? Das Arbeitsverhältnis ist durch den Rechtsstreit inzwischen ja erheblich belastet. Oder läuft alles darauf hinaus, das Arbeitsverhältnis zu beenden (gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung)?
Die oftmals banale Entscheidung, einen zu teuer gewordenen Mitarbeiter aus dem Ausland zurückzuholen erweist sich im Ergebnis als eine sehr komplexe Fallgestaltung mit einer ganzen Fülle von tatsächlichen und rechtlichen Problemen, die hier nur angedeutet werden können.
Es empfiehlt sich daher, rechtzeitig einen versierten Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuschalten, der sich mit der Problematik der Auslandsentsendung von Mitarbeitern auch wirklich auskennt.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Weilheim. Alle vom Autor bisher erschienenen Artikel zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen können im Internet auf der Homepage des Autors unter www.fachanwalt-arbeitsrecht.de kostenlos abgerufen werden.
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