Expatriates – Kündigungsschutz

 

Der Kündigungsschutz von Expatriates

 

A.

 

Die Freude bei Herrn Müller ist groß, als er eines schönen Tages zu seinem Chef gebeten wird und dieser ihm mitteilt, er werde befördert und erhalte das Angebot zu einem zweijährigen Auslandseinsatz in Indien.

Die Konditionen sind derart verlockend, daß Herr Müller nicht lange zögert und mit seiner jungen Familie nach Delhi zieht. Im Laufe der Zeit gewöhnt sich die Familie Müller an die indischen Lebensgewohnheiten, gewinnt neue Freunde und lebt finanziell wesentlich besser als vorher in Deutschland. Der Vertrag wird um weitere zwei Jahre verlängert. Dann wechselt der Chef der indischen Tochtergesellschaft. Von nun an ist alles anders. Der neue Chef hat andere Vorstellungen. Es kommt zu Spannungen, Mißverständnissen, persönlichen Anfeindungen und Mobbing. Das ganze endet mit einer -voraussehbaren – Kündigung. Herr Müller steht mit seiner jungen Familie auf der Straße. Was nun?

Diese Geschichte wiederholt sich so oder in ähnlicher Weise tagtäglich. Was einst euphorisch begann, endet nicht selten in Enttäuschung und Frust.

Das muß nicht so sein! Herr Müller hat über das Internet Kontakt zu einem Rechtsanwalt aufgenommen, der sich als ausgewiesener Arbeitsrechtler auf Arbeitsverhältnisse mit Auslandsbezug (Expatriates) spezialisiert hat. Dieser Rechtsanwalt vertritt nun die Interessen von Herrn Müller gegenüber seinem deutschen Arbeitgeber und wird auch – falls erforderlich – vor dem zuständigen deutschen Arbeitsgericht auftreten.

Der Rechtsanwalt wird Herrn Müller über zwei strategische Möglichkeiten aufklären. Dieser kann entweder um den Erhalt seines Arbeitsplatzes vor Ort kämpfen und ggf. eine freie Stelle in Deutschland antreten oder er findet sich mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes ab und läßt seinen Rechtsanwalt mit dem Arbeitgeber über die Modalitäten eines Aufhebungsvertrages einschließlich Abfindung und Zeugniswortlaut verhandeln. In diesem Fall kommt es darauf an, daß der Rechtsanwalt sachkundig ist und die diffizilen Facetten eines Auslandseinsatzes sowie die rechtliche Einordnung einer ausgesprochenen Kündigung beherrscht.

Nachfolgend soll die Kündigung eines Auslandsarbeitsverhältnisses und dessen rechtliche Auswirkungen kurz skizziert werden:

B.

 

Entscheidend ist: Was wurde arbeitsvertraglich geregelt?

Fallvariante 1: Deutsches Arbeitsrecht gilt Kraft Arbeitsvertrag oder rechtlicher Bestimmung

In den allermeisten Fällen enthalten die Arbeitsverträge mit Expatriates die Klausel, daß auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht (deutsches Arbeitsrecht) zur Anwendung kommt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit dem entsendenden deutschen Unternehmen ein Arbeitsverhältnis besteht.

In der Praxis existieren aber auch Arbeitsverträge, bei denen die Parteien keine Bestimmung über die Fortgeltung deutschen Arbeitsrechts getroffen haben. Für diese Fälle kommt Art. 30 Abs. 2 EGBGB zur Anwendung. Danach unterliegt der Arbeitsvertrag in erster Linie dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeitsleistung erbringt, also dem des Arbeitsortes. Etwas anderes gilt dann, wenn sich aus den Umständen ergibt, daß das Arbeitsverhältnis enge Bindungen zu einem anderen Staat aufweist. Maßgebliche Kriterien sind hier Staatsangehörigkeit, Sitz des Arbeitgebers, die Vertragssprache, die Währung für das Arbeitsentgelt, der Ort des Vertragsschlusses und der Wohnsitz der Parteien. Wenn diese Faktoren alle oder überwiegend auf eine nationale Rechtsordnung hinweisen, etwa auf deutsche Rechtsordnung, dann gilt deutsches Recht, also auch deutsches Arbeitsrecht für das bestehende Arbeitsverhältnis. Soweit so gut. Diese Sachlage ist einfach zu beurteilen. In den allermeisten Fällen wird deutsches Arbeitsrecht anwendbar sein.

Fallvariante 2: Was gilt aber, wenn daneben noch ein weiteres Arbeitsverhältnis mit dem lokalen ausländischen Unternehmen besteht?

Hier wird es entscheidend darauf ankommen, ob eine Entsendung oder eine Versetzung vorliegt.

Bei der Entsendung bleibt die Zurechnung des Arbeitnehmers zum deutschen Unternehmen bestehen. Zusätzlich zum weiter bestehenden deutschen Arbeitsvertrag wird eine Entsendungsvereinbarung getroffen.

Zu dem ausländischen lokalen Unternehmen (meistens einer Tochtergesellschaft) bestehen keine vertraglichen Verbindungen.

Anders sind die Vertragsbeziehungen bei einer Versetzung. Hier wird der deutsche Arbeitsvertrag ruhend gestellt und durch eine (befristete) Zusatzvereinbarung für den Auslandseinsatz ersetzt. Hinzu kommt ein befristeter Arbeitsvertrag mit dem ausländischen (Tochter-) Unternehmen. Dieser wird für die Dauer des Auslandseinsatzes wirksam.

C.

 

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und ihre Auswirkungen

Haben die Arbeitsvertragsparteien entweder im Arbeitsvertrag ausdrücklich deutsches Recht vereinbart oder kommt deutsches Recht nach den Grundregeln des Art. 30 Abs. 2 EGBGB zur Anwendung, dann gilt das deutsche Arbeitsrecht für das bestehende Arbeitsverhältnis ohne jede Einschränkung.

Dies hat folgende Bedeutung:

Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei Entsendung ins Ausland

Wie oben dargestellt, bleibt bei der Entsendung eines Arbeitnehmers die Zurechnung zum entsendenden Unternehmen erhalten. Das Arbeitsverhältnis unterliegt also nach wie vor deutschem Arbeitsrecht. Somitgelten weiterhin alle deutschen arbeitsrechtlichen Regelungen, also auch dasKündigungsschutzgesetz und das Betriebsverfassungsgesetz. Auf beide Schutznormen kann sich der entsandte Arbeitnehmer ohne weiteres berufen. Der Arbeitgeber hat insbesondere die Vorschriften und höchstrichterlichen Entscheidungen zur Rechtmäßigkeit der betriebsbedingten, personenbedingten und verhaltensbedingten Kündigung zu beachten. Dies gilt auch für die Rechtmäßigkeit der Anhörung des Betriebsrats in der deutschen Zentrale. Nicht selten wird dies vom Arbeitgeber übersehen mit der zwangsläufigen Folge, daß die ausgesprochene Kündigung bereits aus formalen Gründen unwirksam ist. An dieser Stelle eröffnet sich meist ein erheblicher Verhandlungsspielraum mit dem Arbeitgeber, um eine sozialverträgliche Lösung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer meist stattlichen Abfindungsregelung zu finden.

Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei Versetzung ins Ausland

Bei der Versetzung ist der Arbeitnehmer nur noch lose mit dem Arbeitgeber in Deutschland verbunden. Daneben hat er einen Arbeitsvertrag mit dem ausländischen (Tochter-) unternehmen.

In diesen Fällen besteht meist noch ein Rumpf-Arbeitsverhältnis zum deutschen Stammhaus. Der Arbeitnehmer wird weiterhin von der deutschen Personalabteilung betreut und berichtet auch von Zeit zu Zeit an die Konzernzentrale.

Das Bundesarbeitsgericht hält auch für die Versetzungen ins Ausland das Kündigungsschutzgesetz für anwendbar. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn sich der deutsche Arbeitgeber einen erheblichen Einfluß auf das Schicksal eines Arbeitnehmers während des Einsatzzeitraums bei einem ausländischen Arbeitgeber über eine Versetzungsklausel vorbehält. Hat sich der Arbeitgeber sogar eine konzernweite Versetzung vorbehalten, dann muß der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung prüfen, ob konzernweit eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung besteht.

Schwierig zu beurteilen ist, ob auch in den Fällen der Versetzung ins Ausland das deutsche Betriebsverfassungsgesetz gilt oder nicht. Grundsätzlich gilt das Betriebsverfassungsgesetz nur für in Deutschland gelegene Betriebe.

Das Territorialprinzip stellt darauf ab, ob der Betrieb auf deutschem Hoheitsgebiet liegt oder nicht.

Allerdings kann das Betriebsverfassungsgesetz auch für im Ausland tätige Arbeitnehmer gelten. Dies ist dann der Fall, wenn der inländische Betrieb ins Ausland „ausstrahlt“. Hierfür müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

Zwischen dem Arbeitnehmer und dem deutschen Betrieb muß eine rechtliche und eine tatsächliche Verbindung bestehen.

Für die erforderliche rechtliche Verbindung reicht es aus, wenn zwischen Inlandsbetrieb und Arbeitnehmer ein Arbeitsvertrag besteht, auch wenn dieser ruht.

Für die tatsächliche Verbindung kommt es nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auf die Gesamtwürdigung an. Wichtige Kriterien sind die Dauer der Auslandstätigkeit, die Art und Weise der Eingliederung in den ausländischen Betrieb, ein vertraglich vereinbartes Rückrufrecht und die fortbestehende Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers an den Inlandsbetrieb.

Je nach dem ob diese (teilweise oder ganz) erfüllt sind, muß die Personalleitung des Inlandsbetriebes vor Ausspruch einer Kündigung auch eines ins Ausland versetzten Arbeitnehmers den (inländischen) Betriebsrat nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes ordnungsgemäß anhören.

Unterbleibt dessen Anhörung oder ist die Anhörung fehlerhaft, ist die Kündigung bereits aus formalen Gründen unwirksam.

D.

 

Strategie und Taktik bei unwirksamer Kündigung

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass in der Personalabteilung der deutschen Konzernzentrale übersehen wird, dass auch bei Entsendung bzw. Versetzung von Mitarbeitern ins Ausland deutsches Arbeitsrecht in vollem Umfang zur Anwendung kommt oder kommen kann (je nach Lage des Einzelfalles).

Wenn dann bei einer Kündigung die strengen Formalien des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes nicht beachtet werden, hat das Unternehmen „schlechte Karten“.

Der gekündigte Arbeitnehmer muß allerdings auf der Hut sein. Er muß wissen, welche Rechte er hat. Wenn er seine Rechte nicht genau kennt, sollte er unverzüglich einen versierten Fachanwalt für Arbeitsrecht zu Rate ziehen (Denn auch für den im Ausland gekündigten Arbeitnehmer gilt die 3-Wochen-Frist, wenn er in Deutschland eine Kündigungsschutzklage einreichen will). Im Internet-Zeitalter ist dies kein Problem. Er wird bei Google unter den entsprechenden Stichworten („Fachanwalt“ und „Arbeitsrecht“) leicht fündig und den richtigen Anwalt finden. Die Kommunikationsmittel sind heute so ausgereift, dass es keinen Unterschied macht, wo der Rechtsanwalt ansässig ist. Der versierte Anwalt wird auf die jeweiligen individuellen Bedürfnisse des Mandanten eingehen und darauf seine Taktik und Strategie abstimmen. Ist die Kündigung erst einmal ausgesprochen, ist das Vertrauensverhältnis meist zerstört. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer haben dann ein großes Interesse daran, das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Hier kommt es entscheidend auf die Erfahrung und das Verhandlungsgeschick des Anwalts an , um für seinen Mandanten das jeweils bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dazu gehören die einzelnen Modalitäten der Auflösung des Arbeitsverhältnisses genau so wie die Abstimmung eines wirklich passenden und das weitere berufliche Fortkommen fördernden Arbeitszeugnisses.

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