Kündigung wegen privater Nutzung des Internets?

Die rasant fortschreitende Informations- und Kommunikationstechnik hat dazu geführt, daß heute die meisten Arbeitsplätze im Büro über einen Internet-Anschluß verfügen. Regelmäßig wird die private Nutzung des Internets entweder ausdrücklich untersagt oder in geringem Umfang toleriert. Hier stellt sich die Frage, wann der Arbeitgeber berechtigt ist, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, weil ein Arbeitnehmer trotz bestehenden Verbots das Internet zu privaten Zwecken genutzt hat.

Diese Frage ist vom Bundesarbeitsgericht noch nicht endgültig entschieden worden. Allerdings haben sich verschiedene Landesarbeitsgerichte mit diesem Thema befaßt. Nachstehend soll ein kurzer Überblick über den derzeitigen Stand der Rechtsprechung gegeben werden:

Herunterladen und Speichern von Dateien mit pornografischem Inhalt

Das LAG Niedersachsen war der Auffassung, daß eine außerordentliche Kündigung wegen privaten Surfens im Internet auch ohne vorherige Abmahnung wirksam sei, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit Dateien mit pornografischen Inhalten aus dem Internet auf die Festplatte heruntergeladen hatte (vgl. LAG Niedersachsen, Beschl. v. 26.04.2002, Az: 3 Sa 726/01 B).

Dagegen hielt das LAG Rheinland-Pfalz eine vorherige vergebliche Abmahnung für erforderlich. Es liege zwar ein Fehlverhalten vor. Aber die Pflichtverletzung im Leistungs- oder Vertrauensbereich rechtfertige nur dann eine Kündigung, wenn zuvor eine Abmahnung ausgesprochen worden, die erfolglos geblieben sei. Im übrigen seien die Pflichtverletzungen nicht so schwerwiegend, daß der Arbeitnehmer ohne weiteres deren Rechtswidrigkeit hätte erkennen können und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen sei (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.12.2003, Az: 4 Sa 1288/03).

Vorherige Abmahnung erforderlich

Nutzt ein Arbeitnehmer das Internet entgegen einer einschlägigen Abmahnung oder eines ausdrücklichen Verbots des Arbeitgebers für private Zwecke, so stellt dies zunächst eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, die eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. Hat der Arbeitgeber dagegen die private Nutzung genehmigt bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg widerspruchslos geduldet, kommt eine Kündigung nur in Ausnahmefällen in Betracht; etwa dann, wenn die Nutzung in einem Ausmaß erfolgt, von dem der Arbeitnehmer nicht mehr annehmen durfte, sie sei noch vom Einverständnis des Arbeitgebers gedeckt.

Deshalb haben mehrere Landesarbeitsgerichte die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt, weil zuvor keine Abmahnung ausgesprochen worden war (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.12.2003 a.a.O.; LAG Köln, Urt. v. 17.02.2004, Az: 5 Sa 1049/03; LAG Düsseldorf, Urt. v. 25.03.2004, Az: 11 (6) Sa 79/04; LAG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2004, Az: 6 Sa 348/03).

Das LAG Nürnberg sieht zwar in der verbotenen Nutzung des Internet-Zugangs zu privaten Zwecken, dem Herunterladen von Software und der sich hieraus ergebenden abstrakten Gefährdung des EDV-Netzes mehrere arbeitsvertragliche Verstöße. Aber diese Vorwürfe seien nicht so schwerwiegend, daß ein verständig abwägender Arbeitgeber von einem tiefen und endgültigen Vertrauensverlust ausgehen könne, der eine Trennung vom Arbeitnehmer unerläßlich mache.

Keine Kündigung ohne eindeutiges Verbot

Ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten kann nur dann in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber zuvor ein eindeutiges Verbot der privaten Internetnutzung ausgesprochen hatte. Fehlt es an einem Verbot oder ist das Verbot nicht eindeutig, liegt schon kein Pflichtenverstoß vor, der eine Kündigung rechtfertigen könnte. Der Arbeitnehmer kann dann berechtigter Weise von der Duldung der eingeräumten Internetnutzung in angemessenem Umfang auch zu privaten Zwecken ausgehen (vgl. LAG Köln, Urt. v. 11.02.2005, Az: 4 Sa 1018/04). Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer keine Kenntnis über das Ausmaß des Verbotenseins privater Internetnutzung am Arbeitsplatz hat. Auch dann kann ihm keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorgeworfen werden (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.07.2004, Az: 7 Sa 1243/03).

außerordentliche oder ordentliche Kündigung?

Oftmals ist ein Arbeitgeber über das aufgedeckte private Internetsurfen eines Arbeitnehmers derart verärgert, daß er sich kurzerhand zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung entschließt. Hatte der Arbeitnehmer bereits eine einschlägige Abmahnung erhalten, so stellt sich dennoch die Frage, ob die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist. Entscheidend ist, ob ein wichtiger Grund i. Sinne des.§ 626 BGB vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Die Prüfung, ob ein bestimmter Sachverhalt eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, erfolgt in zwei Stufen. Zunächst ist zu klären, ob ein bestimmter Sachverhalt „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muß die Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu Gunsten des Kündigenden ausfallen. Bei Beachtung dieser Grundsätze wird es für den Arbeitgeber nur in den seltendsten Fällen unzumutbar sein, den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten. Unter den Voraussetzungen des eindeutigen Verbots und der vorangegangenen Abmahnung wird der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aussprechen können, wenn der Arbeitnehmer nicht nur gelegentlich das Internet verbotenerweise zu privaten Zwecken genutzt hat.

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