Kündigungsschutz bei schwerbehinderten Arbeitnehmern

Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen besonderen Kündigungsschutz. Jede Kündigung eines Schwerbehinderten bedarf der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Voraussetzung ist lediglich, daß das Arbeitsverhältnis bei Kündigung länger als 6 Monate bestand. Die Hauptfürsorgestelle erteilt im Regelfall die Zustimmung. Nur bei ganz besonderen atypischen Umständen, nämlich wenn der Kündigungsgrund in der Schwerbehinderung liegt, kann die Hauptfürsorgestelle ihre Zustimmung verweigern. Hat diese die Zustimmung erteilt, muß der Arbeitgeber noch den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung hören, bevor er kündigen kann. In der Praxis wird der schwerbehinderte Arbeitnehmer gegen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle regelmäßig Widerspruch einlegen und bei dessen Zurückweisung Anfechtungsklage erheben. Die Anfechtungsklage hat keine auschiebende Wirkung. Wenn der Arbeitgeber aber eine Kündigung ausspricht, beginnt das Spiel von neuem, denn der Arbeitnehmer wird sich regelmäßig gegen die Kündigung durch eine Kündigungsschutzklage zur Wehr setzen. Bis diese rechtskräftig entschieden ist, können Jahre vergehen.

In der Praxis wird ein gut beratener Arbeitgeber sich daher erst gar nicht auf dieses Verfahren einlassen, sondern mit dem schwerbehindeten Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung schließen.

Der besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer führt oft dazu, daß sich Arbeitgeber von vornherein weigern, einen Schwerbehinderten einzustellen. Zuweilen wird die Frage des zukünftigen Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung im Einstellungsfragebogen falsch beantwortet, um den Job zu bekommen.

Eine derartige Falschbeantwortung kam jetzt einem Schwerbehinderten teuer zu stehen.

Dieser hatte sich als Verputzer beworben und war eingestellt worden, nachdem er die Frage nach seiner Schwerbehinderteneigenschaft wahrheitswidrig verneint hatte. Nach kurzer Zeit wurde der Arbeitnehmer krank und kündigte dann später selbst, weil ihm die Arbeit zu schwer sei. Der Arbeitgeber verweigerte die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, weil der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag erschlichen habe und focht den Arbeitsvertrag an.

Der schwerbehinderte Arbeitnehmer verlor seine Zahlungsklage auf Vergütung während seiner Krankheit in allen drei Instanzen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wiederholte seine bisherige Auffassung, wonach die wahrheitswidrige Beantwortung der Schwerbehinderteneigenschaft regelmäßig die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung begründe. Die Anfechtung wirke grundsätzlich rückwirkend. Nur bei Arbeitsverhältnissen werde eine Ausnahme gemacht, da diese nicht rückabgewickelt werden könnten. Deshalb trete die Wirkung der Anfechtung für die Zukunft ein. Allerdings bestehe im Falle der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers kein Grund, von der Regelfolge rückwirkender Anfechtung abzuweichen, da der Arbeitsvertrag vom Arbeitnehmer nicht erfüllt werde. Die Anfechtung führte im Ergebnis dazu, daß der schwerbehinderte Arbeitnehmer für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit keinen Vergütungsanspruch hatte. Der Arbeitnehmer war auch nicht schutzwürdig, Denn wer seinen Vertragspartner täuscht, kann sich nicht auf den Bestand des Vertrages und den allgemeinen Vergütungsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit verlassen (vgl. BAG, Urteil vom 03.12.1998 – 2 AZR 754/97, noch nicht in der Fachpresse veröffentlicht).

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