Überdurchschnittliche Leistung – keine Verpflichtung im Arbeitsverhältnis

 

Im Arbeitsverhältnis besteht keine Verpflichtung zu überdurchschnittlicher Leistung – Abmahnung muss aus der Personalakte entfernt werden

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte kürzlich über einen interessanten Fall zu entscheiden:

Sachverhalt

Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer eine Abmahnung wegen angeblicher Minderleistung erteilt.

Der Arbeitnehmer war Agenturleiter eines Versicherungsunternehmens. Diese Versicherung hatte in einer Abmahnung gerügt, dass die Agentur wesentlich weniger Neuversicherungsverträge abgeschlossen hatte als der Durchschnitt aller Agenturen. Die Versicherung hatte allen Agenturen eine Abmahnung ähnlichen Inhalts zugeschickt, die weniger Neuverträge als der Durchschnitt aller Agenturen abgeschlossen hatte.

Der Agenturleiter wehrte sich gegen die erhaltene Abmahnung und bekam vom höchsten deutschen Arbeitsgericht Recht (vgl. BAG, Urt. v. 27.11.2008 – Az: 2 AZR 675/07).

Entscheidung

Das BAG hielt zunächst fest, dass jeder Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der

§§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen könne. Denn eine Abmahnung sei geeignet, dem Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und in seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb könne der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn

– die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist

 

– sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält

 

– sie auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht,

 

– sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt,

 

– kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht,

 

– sie nur pauschale Vorwürfe enthält.

 

Gemessen an diesen Maßstäben war die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer quantitative Minderleistung vorgeworfen und ihn in der Abmahnung aufgefordert, „durchschnittliche Produktionsergebnisse“ zu erzielen.

Eine solche Verpflichtung besteht jedoch nicht.  

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, bestimmte Arbeitserfolge zu erzielen. Er ist lediglich verpflichtet, seine persönliche Leistungsfähigkeit auszuschöpfen.

Der Arbeitnehmer kann also geltend machen, der Vorwurf gehe fehl, da er seine persönliche Leistungsfähigkeit sehr wohl ausschöpfe.

Die unterdurchschnittliche Leistung eines Arbeitnehmers ist lediglich ein Indiz dafür, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft. Der Arbeitgeber muss im arbeitsgerichtlichen Verfahren ggf. konkret vortragen (und beweisen), warum der Arbeitnehmer durchaus in der Lage ist, bessere Arbeitsergebnisse zu erzielen, wenn er sich nur genügend anstrengen würde. Hier kommt es auf die konkreten Einzelfallumstände an, ob dem Arbeitgeber dies gelingen wird oder nicht.

Ein Durchschnittswert allein ist jedenfalls nicht ausreichend für die Beantwortung der Frage, ob der Kläger seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft.

Ergebnis:

Die Abmahnung musste aus der Personalakte entfernt werden, weil dem Arbeitnehmer kein konkret bezeichnetes Fehlverhalten vorzuwerfen war. Ein Durchschnittswert reicht allein nicht aus, dem einzelnen Arbeitnehmer vorzuwerfen, er würde schlechtere Arbeitsergebnisse erzielen als der Durchschnitt seiner vergleichbaren Kollegen.

Grundsätzliche Bedeutung

Diese Entscheidung des BAG hat enorme Bedeutung für alle Arbeitsverhältnisse, in denen der Arbeitgeber meint, dem Arbeitnehmer bestimmte Arbeitsergebnisse vorschreiben zu können. Insbesondere mit Vertriebsmitarbeitern im Außendienst wird regelmäßig ein Zielerreichungsplan für das kommende Geschäftsjahr vertraglich vereinbart (oftmals verbunden mit einer erfolgsabhängigen Vergütungskomponente).

Wenn diese vorgegebenen oder vereinbarten Ziele (etwa wegen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise) nicht erreicht werden können, dann darf dem einzelnen Vertriebsmitarbeiter bis hin zum Vertriebschef daraus kein Vorwurf gemacht werden. Insbesondere darf wegen Nichterreichen von gesteckten Zielen keine Abmahnung erteilt und erst recht nicht das Arbeitsverhältnis gekündigt werden. Denn jeder Arbeitnehmer ist nur verpflichtet, diejenige Leistung zu erbringen, zu der er persönlich auch imstande ist. „Er muss nur tun, was er kann, er muss nicht tun, was er können soll.“

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