Soll der Geschäftsführer einer ausländischen Tochtergesellschaft gekündigt werden, stellt sich sofort die Frage, ob er leitender Angestellter ist. Denn aus der Funktion des Geschäftsführers der ausländischen Tochtergesellschaft folgt keineswegs, daß er auch leitender Angestellter der Muttergesellschaft ist.
Die Frage hat entscheidende Bedeutung dafür, ob bei einer beabsichtigten Kündigung der Betriebsrat anzuhören ist und ob das Kündigungschutzgesetz gilt.
Grundsätzliche Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes
Das Betriebsverfassungsgesetz gilt für alle in Deutschland gelegenen Betriebe. Es gilt aber auch dann, wenn ein Arbeitnehmer trotz seiner Tätigkeit im Ausland weiterhin dem inländischen Betrieb zuzuordnen ist. Dies ist bei Arbeitnehmern, die zeitweise an ein ausländisches Tochterunternehmen abgeordnet werden, regelmäßig der Fall. Denn üblicherweise wird zusätzlich zu dem weiter bestehenden inländischen Arbeitsvertrag ein Entsendungsvertrag abgeschlossen der eine Rückkehrvereinbarung vorsieht. Die rechtlichen Beziehungen zum deutschen Arbeitgeber (zur deutschen Konzernmutter) bestehen also fort. Damit ist der erforderliche Inlandsbezug gegeben mit der Folge, daß das deutsche Betriebsverfassungsgesetz für ins Ausland abgeordnete Arbeitnehmer anwendbar ist.
Grundsätzliche Anwendbarkeit des deutschen Kündigungsschutzgesetzes
In den meisten Fällen wird im Entsendungsvertrag die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart. Deshalb gilt auch weiterhin das deutsche Kündigungsschutzgesetz i.V.m. Art. 27 EGBGB.
Ist der Geschäftsführer eines ausländischen Tochterunternehmens leitender Angestellter?
Für leitende Angestellte gilt das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Vor einer Kündigung ist also der Betriebsrat nicht zu hören. Allerdings stellt sich in der Praxis oft heraus, daß leitende Angestellte im allgemeinen Sprachgebrauch noch lange nicht leitende Angestellte im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind, so daß in den allermeisten Fällen vor der Kündigung der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören ist. Versäumt dies der Arbeitgeber, ist die Kündigung bereits aus formalen Gründen unwirksam.
Aus der Position des Geschäftsführers einer ausländischen Tochtergesellschaft folgt noch nicht zwingend, daß der Mitarbeiter als leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen ist. Anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Begriff des leitenden Angestellten ist zu überprüfen, wie sich die Stellung der Geschäftsführertätigkeit bei der Tochtergesellschaft auf das weiter bestehende Arbeitsverhältnis zur Muttergesellschaft auswirkt. Denn entscheidend ist nicht die Organtätigkeit bei der Tochtergesellschaft, sondern die Arbeitnehmereigenschaft im Verhältnis zur Muttergesellschaft.
Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach dem Arbeitsvertrag und der Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist. Der Geschäftsführer des ausländischen Tochterunternehmens muß im wesentlichen frei von Weisungen der Muttergesellschaft über Einstellungen und Entlassungen vor Ort entscheiden können. Darüber hinaus muß es sich um eine bedeutsame Anzahl von Arbeitnehmern handeln, und die Einstellungs- und Entlassungskompetenz muß einen wesentlichen Teil der Geschäftsführertätigkeit ausmachen. Diese Voraussetzungen sind nur in den seltensten Fällen gegeben. Wenn der Geschäftsführer danach kein leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist, muß vor einer beabsichtigten Kündigung der Betriebsrat angehört werden.
Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG ist das Betriebsverfassungsgesetz nicht anwendbar, wenn der Geschäftsführer Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zur Muttergesellschaft nicht unbedeutend ist. Auch dieses Kriterium ist selten erfüllt. Denn die Generalvollmacht bzw. Prokura bezieht sich auf die Muttergesellschaft. Der Geschäfts-führer einer ausländischen Tochtergesellschaft wird aber kaum jemals eine derartige Vollmacht für die Geschäftstätigkeit der Muttergesellschaft haben. Also bleibt das Betriebsverfassungsgesetz und die Anhörung des Betriebsrats bestehen.
Nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG muß der Geschäftsführer, um als leitender Angestellter zu gelten, regelmäßig Aufgaben wahrnehmen, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzen. Er muß bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben die Entscheidungen der Unternehmenspolitik im wesentlichen frei von Weisungen treffen oder die entsprechenden Entscheidungen maßgeblich beeinflussen. Die schlichte Repräsentation des Arbeitgebers im Ausland kann das Fehlen der notwendigen Kompetenzen nicht ersetzen. Maßgeblich ist also, ob die Geschäftsführertätigkeit in der ausländischen Tochtergesellschaft eine bedeutende Aufgabe für den Bestand und die Entwicklung der deutschen Muttergesellschaft darstellt. Auch dies wird selten der Fall sein.
Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß in den allermeisten Fällen auch der Geschäftsführer einer ausländischen Tochtergesellschaft kein leitender Mitarbeiter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist mit der Folge, daß vor dessen Kündigung der Betriebsrat anzuhören ist.
Wichtig ist noch, daß selbst für leitende Angestellte und Geschäftsführer, selbst wenn sie zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, das Kündigungsschutzgesetz gilt. Lediglich zwei unwesentliche Teilaspekte wurden herausgenommen. Es gilt die leichtere Möglichkeit der Trennung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Danach kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung stellen, wenn die weitere ungestörte Zusammenarbeit nicht erwartet werden kann, weil das gegenseitige Vertrauen gestört ist. Allerdings kann der Auflösungsantrag nicht gestellt werden, wenn die Betriebsratsanhörung fehlerhaft unterblieben war.
Fazit
Bei den allermeisten Geschäftsführern einer ausländischen Tochtergesellschaft ist vor Ausspruch einer Kündigung der Betriebsrat anzuhören. Der Betroffene kann die Sozialwidrigkeit der Kündigung mit dem Kündigungsschutzgesetz angreifen, muß allerdings die 3-Wochen-Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage beachten.
Es empfiehlt sich, einen in Deutschland ansässigen Rechtsanwalt, vornehmlich einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht, über das Internet zu suchen und mit der Interessenwahrnehmung zu beauftragen.