Hinweis auf Pensionsberechtigung macht Kündigung unwirksam

Fall

Der Arbeitgeber – eine Arztpraxis – hatte einer langjährig beschäftigten älteren Arzthelferin gekündigt. Im Kündigungsschreiben wurde darauf hingewiesen, dass die Arzthelferin bald pensionsberechtigt sei. Kurz darauf stellte die Arztpraxis eine jüngere Mitarbeiterin ein.

Das Bundesarbeitsgericht hielt die Kündigung wegen unzulässiger Altersdiskriminierung für unwirksam. Der Wortlaut des Kündigungsschreibens lasse nämlich eine Benachteiligung wegen des Alters vermuten, da auf die baldige „Pensionsberechtigung“ der Arzthelferin hingewiesen wurde.

 

Grundsatz

Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Hierzu zählt auch das Lebensalter.

 

Beweislast beim Arbeitgeber

Es reicht aus, wenn ein Arbeitnehmer Indizien vorträgt und ggf. beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen.

Die Arzthelferin berief sich darauf, der Hinweis auf die „Pensionsberechtigung“ im Kündigungsschreiben lasse vermuten, dass ihr Alter jedenfalls auch ein Motiv für die Kündigung gewesen sei. Es genüge auch eine mittelbare Benachteiligung. Ein schuldhaftes Handeln sei nicht erforderlich.

Die Arztpraxis musste nun beweisen, dass entgegen dieser Benachteiligungsvermutung für die Kündigung ausschließlich andere Gründe als das Alter der Arzthelferin ausschlaggebend waren (§ 22 AGG).

 

Ergebnis

Die Arztpraxis trug im Prozess vor, man sei lediglich bemüht gewesen, die betrieblich notwendige Kündigung freundlich und verbindlich zu formulieren. Die gekündigte Arzthelferin sei von ihrer Qualifikation mit der neu eingestellten Mitarbeiterin nicht vergleichbar. Ziel sei daneben eine Kostenreduzierung und eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gewesen.

Dies reichte dem Bundesarbeitsgericht nicht aus.

Maßgebend sei hier eine EU-Richtlinie (Richtlinie 2000/78/EG), die für alle deutschen Gerichte verbindlich sei.

Danach dürften nur „sozialpolitische Ziele“ wie Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarktpolitik und berufliche Bildung als legitime Ziele (i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG) verfolgt werden, die eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters rechtfertigen könnten.

Die Zielsetzung der Arztpraxis waren aber keine „sozialpolitischen Ziele“, die im Allgemeininteresse liegen.

Es lagen nur Eigeninteressen der Arztpraxis vor (Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit) mit der Folge, dass diese Gründe unbeachtlich waren. Sie lagen „neben der Sache“. Die vermutete Benachteiligung wegen des Alters konnte nicht widerlegt werden.

Die Kündigung war deshalb unwirksam.

 

Beachte

Auf eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität kann sich jeder Arbeitnehmer berufen (§ 1 AGG).

Eine Benachteiligung liegt auch bei einer Kündigung vor und zwar unabhängig davon, ob das Kündigungsschutzgesetz gilt (also auch im Kleinbetrieb und während der ersten 6 Monate des Beschäftigungsverhältnisses).

Der benachteiligte Arbeitnehmer kann ggf. auch einen Anspruch auf Entschädigung haben (§ 21 Abs. 2 AGG).

 

Wortlaut der Entscheidung

Der Wortlaut der BAG-Entscheidung ist nachlesbar unter BAG Urteil vom 23.07.2015, Az.: 6 AZR 457/14.

 

Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Weilheim. Alle vom Autor bisher erschienenen Artikel zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen können im Internet auf der Homepage des Autors unter www.fachanwalt-arbeitsrecht.de kostenlos abgerufen werden.

Rechtsanwalt

Hans-Georg Rumke

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