Verdachskündigung – das müssen Sie wissen

 

Die Verdachskündigung – das müssen Sie wissen!

 

 

 

Grundsatz

Bei einer Verdachtskündigung steht nicht fest, ob sich der Arbeitnehmer einer Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten schuldig gemacht hat. Die Verdachtskündigung wird allein darauf gestützt, der Arbeitnehmer stehe im Verdacht, eine Vertragsverletzung begangen zu haben. Meist wird der Verdacht einer Straftat zu Lasten des Arbeitgebers oder ein erheblicher Vertrauensbruch die Grundlage für eine Verdachtskündigung sein. Im Gegensatz hierzu geht bei einer Tatkündigung der Arbeitgeber davon aus, dass der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren vertragswidrigen Verhaltens ist eigenständiger Kündigungsgrund.

Die Verdachtskündigung kann als ordentliche Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist oder in sehr schwerwiegenden Fällen auch als außerordentliche (fristlose) Kündigung ausgesprochen werden. Kündigungsgrund ist in jedem Fall das erschütterte Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers, die zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat.

Voraussetzungen der Verdachtskündigung

Damit kein Unschuldiger seinen Arbeitsplatz verliert, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) an die Verdachtskündigung besonders strenge Anforderungen gestellt:

a) Es müssen objektive Tatsachen vorliegen, die den begründeten Verdacht auf strafbare Handlungen des Arbeitnehmers rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein verständiger und gerecht abwägender Arbeitgeber in dieser Situation eine Kündigung aussprechen würde.

b) Der Verdacht muss dringend sein. Aufgrund objektiver Umstände muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer die Vertragsverletzung schuldhaft begangen hat. Bloße Vermutungen und Verdächtigungen reichen nicht aus.

c) Die Vertragsverletzung des verdächtigen Arbeitnehmers muss von erheblichem Gewicht sein. Sie muss so schwer wiegen, dass sie jedenfalls im Falle einer nachgewiesenen Tat eine Tatkündigung rechtfertigen würde.

d) Der Arbeitgeber muss den verdächtigen Arbeitnehmer von der Kündigung zu den erhobenen Vorwürfen anhören. Der Arbeitgeber muss insbesondere alles ihm Zumutbare tun, um den Sachverhalt aufzuklären. Ist er dazu selbst nicht in der Lage, darf der Arbeitgeber den Abschluss des Strafverfahrens abwarten, bis er die Kündigung ausspricht. Im Falle einer beabsichtigten außerordentlichen (fristlosen) Verdachtskündigung ist die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB solange gehemmt.

e) Selbstverständlich ist auch der Betriebsrat vor einer Verdachtskündigung anzuhören. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände (Indizien) mitteilen, aus dessen sich der konkrete Verdacht ergeben soll. Da die Tatbegehung bzw. der Verdacht einer Tat jeweils eigenständige Kündigungsgründe sind, muss der Arbeitgeber bei der Betriebsratsanhörung klarmachen, ob er die Kündigung auf nachgewiesener Tat oder auf den Verdacht einer Tat stützen will.

Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt

Grundsätzlich kommt es bei einer Kündigung auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Bei einer Verdachtskündigung kann sich im Laufe des Kündigungsschutzprozesses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der zweiten Instanz herausstellen, dass sich der Verdacht erhärtet oder als unbegründet herausstellt. War der Verdacht unbegründet, ist die ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Interessenabwägung

Wie bei jeder Kündigung findet auch bei der Verdachtskündigung am Schluss eine Interessenabwägung statt. D. h., das Arbeitsgericht prüft, ob eine Kündigung unter den gegebenen Umständen angemessen war. Hier berücksichtigt es einerseits das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen des entstandenen Vertrauensbruchs und andererseits das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes. Hier sind insbesondere die sozialen Belange des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wie Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und gegebenenfalls eine vorliegende Schwerbehinderung. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Ein Berufungsgericht kann die Interessenabwägung durchaus anders ausfallen lassen.

Nachträglicher Unschuldsbeweis

Hatte das Arbeitsgericht die Kündigung für wirksam erachtet und stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass der Arbeitnehmer doch unschuldig war, hat der Arbeitnehmer aufgrund der sogen. nachwirkenden Fürsorgepflicht doch einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei seinem früheren Arbeitgeber.

Ergebnis

Eine Verdachtskündigung ist immer eine komplizierte Angelegenheit. Der Arbeitgeber hat eine Reihe von Formalien zu beachten. Insbesondere muss er vor Ausspruch der Kündigung den Arbeitnehmer zum Tatvorwurf anhören und dem Betriebsrat klarmachen, dass die Kündigung (nur) auf dem Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers gestützt wird. Beachtet der Arbeitgeber dies nicht, ist die Kündigung bereits aus formalen Gründen unwirksam.

Jeder Arbeitnehmer sollte darauf achten, dass auch schon das kleinste Vermögensdelikt zu Lasten des Arbeitgebers, also ein Diebstahl oder Betrug den Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis, ggf. sogar fristlos, zu kündigen. Folglich reicht auch schon der begründete Verdacht einer Straftat zu Lasten des Arbeitgebers aus, dass dieser eine Verdachtskündigung ausspricht. Die Rechtsprechung macht hier keinen Unterschied, ob beim Arbeitgeber ein kleiner oder großer Vermögensschaden entstanden ist. Deshalb ist äußerste Vorsicht geboten. Wer bei der Spesenabrechnung mogelt, einen Kugelschreiber mitgehen lässt oder seine Stempelkarte nicht korrekt betätigt, riskiert seinen Arbeitsplatz, auch wenn er noch so lange im Unternehmen beschäftigt ist.

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